Bettina Stark-Watzinger

„Wir brauchen Durchbrüche, große Sprünge, echte Innovation“

Bundesministerin Bettina Stark-Watzinger im Plenum des Deutschen Bundestags
Foto: James Zabel

Rede der Bundesministerin für Bildung und Forschung Bettina Stark-Watzinger am 13.01.2022 im Deutschen Bundestag. Ein Video der Rede finden Sie auf der Webseite des Deutschen Bundestags.

Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Manchmal sind es die kleinen Momente im Leben, die das große Potenzial, das unser Land hat, zeigen. Eine junge Frau beschrieb auf einer Abschlussveranstaltung eines Ausbildungsprogramms, was sie unter Elite versteht: Das ist keine Yacht, das ist kein Luxus. Sie sagt: Elite ist, jeden Tag aufzustehen, sich anzustrengen, über die eigenen Grenzen hinauszugehen und etwas besser zu machen in diesem Land.

Es sind diese Menschen, die unser Land voranbringen - selbstbestimmt. Aber diese Selbstbestimmung ist uns nicht in die Wiege gelegt. Diese Selbstbestimmung bekommt man nur durch Bildung. Deshalb kann es uns nicht ruhen lassen, dass in unserem reichen Land noch jeder fünfte Jugendliche nicht ausreichend lesen kann, dass es oft mehrere Generationen braucht, bis man aus sogenannten einfachen Verhältnissen in die Mittelschicht aufsteigt. Meine Damen und Herren, wo die jungen Menschen herkommen, das können sie sich nicht aussuchen, aber wo sie hingehen, das sollen sie selbst bestimmen können, und das ist unsere Aufgabe.

Bildung zielt aber auf viel mehr als individuelle Karrierewege. Das Wissen jedes Einzelnen ist die Grundlage für das Wissen von uns allen, für das zukünftige Wissen. Bildung und Forschung sind Treiber für Wohlstand. Sie haben eine immense gesamtgesellschaftliche Bedeutung.

Deutschland ist Innovationsland, und Deutschland soll und muss Innovationsland bleiben, meine Damen und Herren. Mit der besten und modernsten Bildung wollen wir in der Regierung Lebenschancen schaffen und mit bester Forschung Lösungen für die Herausforderungen nicht in den Antworten der Vergangenheit, sondern in den neuen Technologien der Zukunft suchen. Das steht im Programm. Das gehen wir an.

Was haben wir uns vorgenommen?

Erstens: Die Pandemie hat uns schmerzlich gezeigt, wie wichtig Bildung ist. Derzeit müssen wir alles tun, um Präsenzunterricht zu ermöglichen, damit das Recht auf Bildung verwirklicht wird. Schulen gehören zur kritischen Infrastruktur, und falls Testkapazitäten knapp werden, dürfen Schülerinnen und Schüler nicht das Nachsehen haben in unserem Land. Deshalb muss die Schule mindestens den Rang von Kultureinrichtungen bekommen und zur kritischen Infrastruktur gehören. Mit dem Digitalpakt 2.0 wollen wir die nächste Stufe der Digitalisierung schaffen. Die digitale Revolution passiert. Geben wir unseren Kindern und Jugendlichen den Pass in die Zukunft, den sie brauchen!

Zweitens: Die Nachwehen von Corona - nicht nur die Nachwehen - zeigen doch, dass Schüler/-innen gezielt Unterstützung brauchen; deswegen unser Programm „Startchancen“. Damit werden wir 4 000 Schulen in sozial schwierigen Lagen mit einem Investitionsprogramm und einem Chancenbudget besonders unterstützen, meine Damen und Herren.

Drittens: Das BAföG bekommt einen neuen Schub. Wir wollen es flexibler, attraktiver und moderner machen und vor allem auch elternunabhängiger. Bildung darf nicht an fehlenden Chancen scheitern.

Viertens: eine Exzellenzinitiative für berufliche Bildung. Ihre Bedeutung muss sich im Ansehen, das wir ihr entgegenbringen, dann auch in unserer Gesellschaft wiederfinden.

Wir wissen: Das Programm der Koalition ist ambitioniert. Wir wollen nicht nur reparieren, sondern wir wollen auch vor die Welle kommen. Dazu braucht es alle: Kommunen, Länder und den Bund. Gemeinsam können wir die Kehrtwende schaffen, nicht mit einem Verbot der Zusammenarbeit, sondern nur mit einem Gebot. Der Bund steht bereit.

Die Pandemie hat gezeigt, was exzellente Forschung vermag. Schon jetzt können wir uns mit den mRNA-Impfstoffen gegen das Coronavirus impfen lassen, in Zukunft hoffentlich auch gegen Krebs.

Wir brauchen Durchbrüche, große Sprünge, echte Innovation. Wir wollen freie exzellente Forschung ermöglichen und zugleich Missionen entwickeln. „Missionen“ heißt: auf Kooperationen setzen, soziale und technologische Innovationen verbinden und Brücken zwischen Disziplinen bauen.

Ein Beispiel mit Blick auf den Klimaschutz: Mit Wasserstoff entstehen aus Abgasen der Stahlwerke Vorprodukte für Kraftstoffe, Kunststoffe und Dünger. Gelingt es uns, nur ein Stahlwerk auf Wasserstoff umzustellen, können wir damit so viel CO2 einsparen, wie eine ganze Großstadt verursacht. Das muss unser Ziel sein: statt kleiner Schritte des Verzichts große Schritte des Fortschritts.

Zwei letzte Punkte:

Entscheidend für unseren Erfolg ist, dass das Wissen aus der Forschung in der Praxis ankommt. Deswegen wollen wir Enterprise Zones schaffen. Deswegen gründen wir die Deutsche Agentur für Transfer und Innovation, eine Art Partnervermittlung für Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Wir müssen die Potenziale unserer Talente, aber auch unserer Daten nutzen. Deshalb wollen wir möglichst vielen Forschenden möglichst umfassenden Zugriff auf Forschungsdaten ermöglichen.

Eine Zeitung schrieb neulich: Neue Daten können alte Meinungen ändern. Lassen wir diese Chance nicht vorbeiziehen. Es ist unsere Aufgabe, als Erfindernation, neue Technologien zu fördern und die beste Bildung für die freie Entwicklung zu geben. Wir wollen echten Fortschritt. Das ist das Ziel dieser Koalition. Ich freue mich darauf. Vielen Dank, meine Damen und Herren.